Montag, 30. April 2012

Trauer

Es ist etwas ganz Schreckliches passiert.
Unsere Schulsekretaerin verkuendet es Sarina und mir, als wir ihr auf der Strasse begegnen, mit zuckenden Schultern. Bei einem Verkehrsunfall eines Matatus sind eine unsere Erstklaesslerinnen, die kleine Faith, und ihre Mutter ums Leben gekommen.
Ich kenne das Maedchen nicht, oder zumindest nicht so, dass ich ihr Gesicht mit ihrem Namen assoziieren kann, aber dennoch haut es mich um. Sowas passiert nicht bei uns. Kinder sterben nicht. Kinder verungluecken nicht. Und wenn, dann ganz selten, und ich habe es noch nie mitbekommen. Wenn ich an die suessen Erstklaessler denke, die die Klasse meiner Mutter besuchen, und ihre gelben ADAC Warnwesten und alle anderen Massnahmen, um sie im Strassenverkehr sicher zu wissen - und dann an die klapprigen Autos ohne Sicherheitsgurte und eine andere Klasse suesser Erstklaessler hier, wird mir ganz anders.

Wenn man die Hinweise des Auswaertigen Amtes zu Kenia liest, steht dort im Grossen und Ganzen Folgendes drin: Bevor man sich hier Gedanken um Malaria, Raubmord oder andere Touristensorgen machen kann, ist man vermutlich schon einem Verkehrsunfall zum Opfer gefallen. Staendig liest man in der Zeitung von haarstraeubenden Unfaellen. Es ist mit Abstand das groesste Risiko fuer Leib und Leben hier. Man liest es, man weiss es, aber jetzt ist es Realitaet geworden, denn es hat ein Kind unserer Schule erwischt.

"Das war Gottes Wille", sagt Pauline, die Sekretaerin, recht sachlich. Die nuechterne Akzeptanz schockiert mich erst, dann begreife ich langsam, dass dies ein Schutz ist der Leute vor dem Schmerz, weil viel zu oft etwas passiert, das nicht passieren sollte. Kinder werden Aidswaisen, Babys sterben bei der Geburt, Familien verlieren den Vater und Versorger undsoweiter undsoweiter. Hilft es da zu glauben, das alles sei Schicksal? Ich kann mich nicht damit anfreunden, dass der Tod eines sechsjaehrigen Maedchens gewollt ist, von keinem Gott und Schicksal der Welt.
Die Schule sammelt Geld fuer ein Kondolenzgeschenk an die uebrige Familie, Mittwoch wird es eingesammelt. Ich frage mich, wie diese Familie mit der Situation umgeht - aber mir daemmert langsam, dass man hier den Tod als Teil des Lebens akzeptieren muss, sonst wird man verrueckt, so oft, wie er zuschlaegt.

Sicher trauern die Leute hier auf ihre Weise. Ich hoffe ehrlich fuer alle hinterbliebenen Familienmitglieder, die Klassenkameraden, Freunde und Lehrer, dass wir alle bald irgendwie darueber hinwegkommen, und das Gedenken an das Meadchen und ihre Mutter eine schoene und keine schmerzliche Erinnerung mehr seid wird. Und dass es das letzte Mal ist, dass wir in Ukunda Schueler begraben muessen, wobei ich fuerchte, dass dies noch ein Wunschtraum bleibt, bevor hier endlich etwas fuer die Verkehrssicherheit getan wird.


Du bist nicht mehr da, wo Du warst,
aber Du bist überall, wo wir sind. 

Wir denken an dich Faith

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